1. Der Inhalt des 2. Timotheusbriefes
1,1-2 Verfasser, Empfänger, Gruß
1,3-5 Paulus dankt für Timotheus und verlangt sehnsüchtig (betend), ihn wiederzusehen.
1,6-14 Timotheus soll gestärkt durch den Geist Gottes ohne Furcht und mit Leidensbereitschaft seine Gnadengabe der Evangeliumsverkündigung (vgl. 4,5) einsetzen und sich dabei weder des Evangeliums noch auch des gefangenen Paulus schämen und sein anvertrautes Gut bewahren. Denn Gottes Heil hat ewige Dimensionen. Auch schämt der leidende Apostel sich dieses Evangeliums nicht.
1,15-18 Die Asiaten haben sich von Paulus abgewandt, Phygelus und Hermogenes unter ihnen. Dem Onesiphorus und seiner Familie wünscht Paulus Gottes Erbarmen, denn er hat dem gefangenen Paulus geholfen und sich überhaupt vorbildlich verhalten.
2,1-13 Timotheus soll die von Paulus empfangene Lehre mit Leidensbereitschaft und ganzem Einsatz weitergeben, den auferstandenen Messias ständig vor Augen. Paulus leidet um des Evangeliums und der Auserwählten willen und weiß: Christen sollen sich im Leid zu Jesus stellen und ihn bekennen, damit auch er sich zu ihnen bekennt und sie zum Leben und zur Herrschaft erhebt.
2,14-26 Angesichts der säkularisierenden gnositischen Irrlehren, die wie Krebs um sich greifen, soll Timotheus Wortgezänke meiden, friedlich und autoritativ den Irrlehrern wehren, und sein Leben selber rein führen.
3,1-9 Die letzten Tage sind gekennzeichnet von einem äußerst schwierigen und gottlosen Menschenschlag.
3,10-17 Demgegenüber hat Timotheus sich vielfach in der Arbeit mit Paulus bewährt, auch im Leiden, und soll nun eingedenk der ihm seit frühester Kindheit bekannten, inspirierten Heiligen Schriften an Christus festhalten.
4,1-5 Timotheus soll leidensbereit als Evangelist beständig weitermachen, wissend, daß zukünftig viele die Mythen der gesunden Lehre vorziehen werden.
4,6-8 Paulus selber sieht sein Leben und Glauben als vollendet an und freut sich auf den Tag Christi.
4,9-15 Weil Paulus nur Lukas bei sich hat und viele ehemalige Mitarbeiter anderenorts sind, soll Timotheus bald zu ihm stoßen und unterwegs verschiedenes berücksichtigen.
4,16-18 Seine erste Verantwortung vor Gericht brachte Paulus in Lebensgefahr, aber der Herr half ihm, so daß er nicht den Löwen vorgeworfen wurde. Paulus ist sich der zukünftigen Errettung ins himmlische Reich gewiß.
4,19-22 Letzte Informationen, Grüße und Segenswunsch.
2. Für die Einleitungsfragen bedeutsame Aussagen des Briefes
1,1-2 Paulus dem Timotheus Gnade, Barmherzigkeit und Friede!
1,3-4 Paulus denkt an die Tränen des Timotheus, die dieser wohl beim Abschied von Paulus vergossen hat. Timotheus hatte ein gläubige Mutter Eunike und eine gläubige Großmutter Lois.
1,8 Der gefangene Paulus fordert Timotheus auf: "Leide mit mir!"
1,12 Paulus leidet um des Evangeliums willen.
1,15 Alle in der Landschaft Asien haben sich von Paulus gewandt (darunter auch Phygelus und Hermogenes).
1,16-18 Paulus wünscht dem Haus des Onesiphorus Gottes Erbarmen. Denn er suchte Paulus in Rom und fand ihn auch schließlich, aber wo? Wenn in Rom, dann ist der 2. Tim in Rom abgefaßt. Wenn Onesiphorus ihn in Rom zu finden erwartet hatte, dann aber nicht fand, sondern woanders, dann könnte es auch ein anderer Ort gewesen sein. Onesiphorus scheint nach Ephesus in Asien zu gehören (1,18). Sicher hat er von Pauli Plan gewußt, zuerst nach Jerusalem zu reisen, um die Kollekte für die Armen unter den jüdischen Christen abzuliefern, und danach nach Rom. Vielleicht hatte er damit gerechnet, ihn in Rom zu treffen, was nicht der Fall war. Nachdem er erfahren hatte, daß Paulus wie befürchtet (Röm 15,30-31) in Judäa aufgehalten worden war, könnte Onesiphorus seine Rückreise nach Asien so gelegt haben, daß er dem Paulus in Judäa einen tröstenden Besuch abstatten konnte.
2,9 Paulus leidet bis zu den Banden.
2,16-18 Die Irrlehre von Hymenäus und Philetus frißt um sich wie der Krebs. Ihr Bekenntnis, daß die Auferstehung schon geschehen sei, beinhaltet wohl ein rein geistlich-gnostische Deutung der Auferstehung bei gleichzeitiger Leugnung der Auferstehung des Fleisches (vgl. 1. Kor 15,12).
22 Timotheus soll den Lüsten der Jugend entfliehen. Das bedeutet, daß er selber altersmäßig zur "Jugend" zu rechnen ist. Ganz jung kann er aber nicht mehr sein, da er schon etwa seit dem Jahre 48 AD mit zu Pauli Team gehört, also auch bei einer Frühdatierung vom 2. Tim in Cäsarea im Jahre 56 AD schon seit acht Jahren mit auf Reisen ist. Wenn er bei Beginn mindestens 20 war, was nach Num 1,3 das Alter der Wehrpflicht darstellte (vgl. 2. Tim. 2,3-4), dann war er zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Briefes um die 30 Jahre alt.
3,1-9 Die Gläubigen haben in der Endzeit mit äußerst schwierigen Zeiten zu rechnen.
3,11 Paulus erinnert an seine Leiden durch Verfolgungen in Antiochien, Ikonion, Lystra, der Gegend, aus welcher auch Timotheus stammt (Apg. 16,1).
4,6.9-10 Paulus hat den Tod vor Augen. Timotheus soll schnell kommen. Der ehemalige Mitarbeiter des Paulus Demas hat diesen verlassen, weil er das Diesseits liebgewonnen hat. Crescens ist nach Galatiengegangen, Titus nach Dalmatien.
4,11 Lukas ist allein bei Paulus, Timotheus soll Markus mitbringen, der nützlich zum Dienst sei. Das heißt die Bereitschaft zu sterben um des Evangeliums willen ist verbunden mit weiterer Evangelisation.
4,12 Paulus hat Tychikus nach Ephesus gesandt (vgl. Eph. 6,21 und Kol. 4, 7-8).
4,13 Timotheus soll den zu Troas bei Karpus gelassenenen Mantel bringen, ebenso Bücher und Pergamente. (Timotheus ist nicht in Ephesus, siehe V. 12, aber die Reise zu Paulus führt an Troas vorbei.) Timotheus soll den Mantel vor dem Winter (4,21) mitbringen, was bedeuten kann, daß Paulus damals den Mantel in Troas bei Karpus ließ, zusammen mit Büchern, weil er darauf hoffte, nach seiner Jerusalemreise mit dem Schiff nach Rom zu fahren, um später in Spanien zu evangelisieren (vgl. Apg. 20,21; Röm 15,24). Die Schiffsreise von Jerusalem nach Rom hätte an Troas vorbeiführen können. Er hatte nicht damit gerechnet, in Judäa im Gefängnis überwintern zu müssen. Nun aber zieht sich alles hin, und er braucht seinen Mantel.
4,14-15 Alexander, der Schmied, erwies dem Paulus viel Schlechtes, Timotheus soll sich vor ihm hüten.
4,16-17 Pauli erste Verteidigung vor Gericht ist schon hinter ihm. Dabei war er von allen verlassen worden, nur nicht vom Herrn.
4,19 Grüße an Priska und Aquila und das Haus des Onesiphorus
4,20 Erastus blieb in Korinth. Trophimus “lies” Paulus in Milet krank.
4,21 Timotheus soll vor dem Winter kommen (mit dem Mantel, siehe 4,13). Grüße von Eubulus, Pudens Linus, Klaudia und allen Brüdern.
Der 2. Timotheusbrief kann in Rom abgefaßt worden sein (traditionelle Auffassung) oder auch in Cäsarea. Wer die oben gegebene Erklärung von 1,16-18 als nicht annehmbar empfindet, wird eher von Rom ausgehen. Der Ort Cäsarea würde gut zu manchen Aussagen in 2. Tim 4 passen. Die Entscheidung fällt schwer. Vielleicht muß man es offen lassen. Ich finde es auf jeden Fall angemessen, davon auszugehen, daß der 2. Timotheusbrief ebenfalls ein Gefangenschaftsbrief ist, der in derselben Gefangenschaft (von Cäsarea bis Rom) abgefaßt ist wie die übrigen sogenannten Gefangenschaftsbriefe des Paulus (Eph, Phil, Kol, Philemon). Zeitlich wäre er nach unserem Chronologievorschlag entweder im Sommer 56 AD (Cäsarea) oder im Herbst 60 AD (Rom) anzusetzen.
3. Vorschlag für eine chiastische Struktur des 2. Timotheusbriefes nach Welch1
A Persönliche Bemerkungen ( 1,1-18)
(a) Die Verheißung des Lebens (1,1)
(b) Der Wunsch, Timotheus zu sehen (1,2-4)
(c) Die Treue von Lois und Eunike (1,5)
(d) Die Einsetzung des Timotheus in den Dienst durch Paulus (1,6-7)
(e) Des Paulus Gefangenschaft, keine Schande empfinden (1,8)
(f) Heil und Licht in Christus Jesus (1,9-10)
(e) Des Paulus Leiden, keine Schande empfinden (1,11-12)
(d) Die Unterweisung des Timotheus durch Paulus (1,13-14)
(c) Die Untreue von Phygelus und Hermogenes (1,15)
(b) Der Besuch des Onesiphorus ( 16-17)
(a) Die Verheißung des Lebens (1,18)
B Zukünftiges Leben in Christus (2,1-21)
(a) Der gute Kämpfer (2,1 -6)
(b) Vorhersagen zukünftiger Segnungen
Wenn wir mit ihm sterben,dann werden wir auch mit ihm leben.
Wenn wir mit ihm Leid erdulden, werden wir auch mit ihm königlich regieren. (2,7-14)
(a) Der gute Arbeiter, der für jedes gute Werk zugerüstet ist (2,15-21)
B’ Zukünftiges Leben auf der Erde (2,22-3,17)
(b) Vorhersagungen über menschliche Bosheit (3,1-9)
(a) Unterweisung des Timotheus zu allen guten Werken (3,10-17)
A’ Persönliche Bemerkungen (4,1-22)
(a) Der Herr wird Gericht üben bei seiner Ankunft (4,1, cf. 1,18)
(d) Der Dienst des Timotheus (4,2)
(c) Menschen werden sich abwenden (4,3-4, cf. 1,15)
(e) Leide willig. (4,5, cf. 1,8)
(d) Richte deinen evangelistischen Dienst voll aus. (4,5)
(e) Des Paulus Leiden (4,6-7, cf. 1,11-12)
(f) Die Krone der Gerechtigkeit bei seiner Erscheinung (4,8, cf 1,9-10)
(b) Der Wunsch, Timotheus zu sehen (9, cf. 1,2-4)
(c) Die Treuen und die Untreuen (4,10-17, cf. 1,5.15-17)
(a) Die Verheißung des Lebens (18)
(b) Der Wunsch, Timotheus zu sehen (21)
Eddy Lanz, Januar 2007
1 Nach Welch, J. W. <Hrsg.>, Chiasmus in Antiquity, Hildesheim, Gerstenberg Verlag, 1981, John W. Welch: Chiasmus in the New Testament, S. 229f. Übersetzung ins Deutsche von Lanz.