Die Apostelgeschichte spricht verhältnismäßig häufig vom Heiligen Geist und seinem Wirken. Wegen der Aktualität der damit zusammenhängenden Fragen, scheint eine kurze Bestandsaufnahme angebracht. Die Vollmacht und Kraft Jesu in seinem öffentlichen Auftreten hing laut Apg 10,38 damit zusammen, daß “Gott ihn mit Heiligem Geist und mit Kraft gesalbt” hatte. Auch der auferstandene Herr gab seinen auserwählten Aposteln “durch den Heiligen Geist Befehl” (1,2). Nach einer Zeit des Wartens auf das angekündigte Kommen des Heiligen Geistes (1,5.8), erfüllte sich zu Pfingsten diese Verheißung (2,3-4.17-18; vgl. Joel 3,1ff), wozu die Himmelfahrt Jesu die heilsgeschichtliche Voraussetzung war (2,33; vgl. Joh 16,7). Die persönliche Voraussetzung zum Empfang des Heiligen Geistes ist Bekehrung und Glaubensgehorsam (2,38; 5,32). Ein gottgewollter (Eph 5,18) Zustand für einen Jünger ist, daß er “mit dem Heiligen Geist erfüllt wird” (2,4; 4,8.31; 9,17; 13,9.52) oder “voll Heiligen Geistes” ist (6,3.5; 7,55; 11,24). Den Heiligen Geist zu belügen oder zu versuchen, kann schweres Gericht nach sich ziehen (5,3.9), ebenso können das unreine Motive dem Heiligen Geist gegenüber (8,19f). Es gibt ein fortwährendes Widerstreben gegen das Wirken des Heiligen Geistes (7,51). Der Heilige Geist hat durch Propheten im Alten Testament gesprochen (1,16; 4,25; 28,25). In der Apostelgeschichte sprach der Heilige Geist zu einzelnen, während sie allein waren (8,29; 10,19; 11,12), oder zu mehreren auf einmal (13,2; 20,23; 21,4?.11). Getreu der Verheißung Jesu (Lk 21,14-15; Mt 10,19-20) erlebten die Jünger einen besonderen Beistand des Heiligen Geistes bei der Verantwortung vor Gericht (4,8) und in Verfolgungssituationen (4,31; 7,55), aber auch allgemein bei der Verteidigung des Evangeliums vor Ungläubigen (6,10). Nachdem Samaria “das Wort Gottes angenommen” hatte (8,14), wurden Petrus und Johannes von der Apostelgemeinschaft zu den Gläubigen in Samarien gesandt, damit diese nach ihrem Gläubig- und Getauftwerden nun auch vermittels Gebet und Handauflegung durch die Apostel den Heiligen Geist empfingen (8,15.17.18). Die Entrückung des Philippus durch den Geist Gottes nach der Taufe des äthiopischen Kämmerers erinnert an ähnliche Wunder im alten Bund (1.Kg 18,12; 2.Kg 2,16). Der für die anwesenden gläubigen Juden sichtbare Empfang des Heiligen Geistes durch die gerade gläubiggewordenen Heiden im Hause des Kornelius diente als göttliche Bestätigung und Siegel dafür, daß Gott nun auch den Nationen die Möglichkeit der Umkehr gegeben hatte und daß Heidenchristen durch den Glauben vollgültig zur Gemeinde gehörten (10,44.45.47; 11,15.16; 15,8). Eine besondere Gruppe von “Jüngern” traf Paulus in Ephesus an: Sie waren gläubig, kannten aber nur die Taufe des Johannes und wußten noch nichts von dem Kommen des Heiligen Geistes (19,2). Nachdem sie auf den Namen Jesu getauft worden waren und Paulus ihnen die Hände auflegte, kam dann der Heilige Geist auf sie (19,6). Der Heilige Geist wirkt nicht nur in den einzelnen Christen, sondern auch in der Gemeinde insgesamt: Die Gemeinde wächst zahlenmäßig durch den “Trost” oder “Beistand” des Heiligen Geistes (9,31). Der Heilige Geist setzt die “Ältesten” als “Hirten” und “Aufseher” in der Gemeinde ein (20,17.28). Er half den Aposteln und Ältesten die Streitfrage, ob auch Heidenchristen das alttestamentliche Gesetz beachten sollten, zu lösen (15,28). Der Heilige Geist wirkt auch besonders auf die Erfüllung des Missionsbefehls hin: Er bevollmächtigt zur Zeugenschaft (1,8). Ja, er ist selber Zeuge (5,32). Er beruft Barnabas und Saulus (13,2) und sendet sie aus (13,4). Er bestimmt souverän die geographische Strategie der Ausbreitung des Evangeliums (16,6.7; in 16,7 scheint mit “Geist Jesu” auch der Heilige Geist gemeint zu sein, vgl. Röm 8,9.14).
Nach diesem Überblick scheint noch die kurze Besprechung folgender drei Einzelfragen von Interesse zu sein:
a) Bezeichnet der Ausdruck: “mit dem Heiligen Geist getauft werden” (1,5; 11,16) den Startpunkt des christlichen Lebens oder eine zweite, von der Wiedergeburt zu trennende Erfahrung (die eventuell vielleicht sogar öfters wiederholbar wäre)?
b) Was bedeuten in diesem Zusammenhang die Formulierungen “voll Heiligen Geistes sein” oder “erfüllt werden mit dem Heiligen Geist”?
c) Sind die Abschnitte Apg 8,12-17 und 19,1-7 biblische Belege dafür, daß es auch heute Christen geben kann, die zwar gläubig sind, aber den Heiligen Geist nicht empfangen haben?
Zu a): Dieser Ausdruck begegnet uns im Neuen Testament sieben Mal, sechs Mal davon in Zusammenhang mit der Gegenüberstellung: Johannes der Täufer tauft (nur) mit Wasser - Christus aber tauft mit dem Heiligen Geist (Mt 3,11; Mk 1,8; Lk 3,16; Joh 1,33; Apg 1,5; 11,16). Johannes repräsentiert hier noch die Zeit des Alten Bundes (Mt 11,11-14), dessen Prophetie sich in ihm noch einmal zu voller Größe erhebt, aber einzig und allein, um auf Christus hinzuweisen, den “Stärkeren”, der den “besseren Bund” (Hbr 7,22) bringt. Die Johannestaufe sollte das Volk des Alten Bundes als Taufe zur Buße für das Kommen des Messias und für den damit verbundenen Eintritt in den Neuen Bund vorbereiten (Mt 3,11; Joh 1,31). Diese Gegenüberstellung (mit Wasser getauft werden - mit dem Heiligen Geist getauft werden) nun macht den qualitätsmäßigen Unterschied zwischen Altem und Neuem Bund deutlich: Der Alte Bund mündet in die Wassertaufe des Johannes ein verbunden mit einem Bußruf zu Christus hin. Im Neuen Bund aber ist der Stärkere selbst da, Christus, der nicht nur mit Wasser, sondern mit dem Heiligen Geist tauft (1.Petr 1,10-12; 2.Kor 3). Von daher ergibt sich, daß jeder Christ schon mit dem Heiligen Geist getauft worden ist, wenn er wirklich Christ ist und Teilhaber am Neuen Bund, denn “wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein” (Röm 8,9). Dasselbe folgt auch aus der siebten Stelle, 1.Kor 12,13. Paulus spricht hier davon, daß wir “durch einen Geist alle zu einem Leib getauft worden sind”. Das “alle” schließt alle Christen ein. Wer nicht mit dem Heiligen Geist getauft worden ist, der gehört nicht zum Leib Christi, zur Gemeinde, d.h. der ist auch kein Christ. Manche Leute unterscheiden die sogenannte “Geistestaufe” als mitunter zeitlich von der Wiedergeburt zu trennen. Sie vertreten, daß man die “Geistestaufe” auch als eine “zweite Erfahrung” (oder auch wiederholt) erleben könne und daß dadurch die Christen zu einem noch vollmächtigeren, kraftvolleren und siegreicheren Leben befähigt würden. Der erste Korintherbrief weist allerdings in eine andere Richtung. Von 1.Kor 12,13 her ist das Getauftwerden mit dem Heiligen Geist wie die Wiedergeburt als Anfangserfahrung des Christen zu sehen. Beide Ausdrücke beschreiben den Startpunkt des christlichen Lebens, nur mit jeweils unterschiedlicher bildhafter Akzentsetzung: Bei “Wiedergeburt” liegt der Akzent auf dem Beginn des neuen, geistlichen Lebens und beim “Getauftwerden mit dem Heiligen Geist” in 1.Kor 12,13 auf der Vereinigung aller Christen zu dem einen geistlichen Leib des Christus. Die Tatsache, daß die Korinther zwar alle mit dem Heiligen Geist getauft worden waren und doch laut 1.Kor 3,1-4 von Paulus als mehrheitlich “fleischliche” Christen, als Babys, die nur Milch vertragen, bezeichnet werden, macht schließlich vollends deutlich: Der heute oft anzutreffende Sprachgebrauch des Begriffes “Geistestaufe”, bei welchem dem erst “nur” wiedergeborenen Christ nun durch die “Geistestaufe” als zweiter Erfahrung zu einem geistlichen, vollmächtigen Siegesleben verholfen wird, entspricht nicht dem Sprachgebrauch der Schrift und ist von daher abzulehnen. Schließlich bleibt noch zu vermerken, daß der Begriff “getauft werden mit dem Heiligen Geist” darauf hinweist, daß es sich hierbei um einen einmaligen Akt handelt, der nicht beliebig oft wiederholt werden kann.
Zu b): Im Unterschied dazu ist ein Erfülltwerden mit dem Heiligen Geist des öfteren möglich, wie ein Vergleich des Personenkreises von Apg 2,4 und 4,31 zeigt (vgl. ebenso 2,4 mit 4,8; 9,17 mit 13,9; weitere Stellen: 13,52; Eph 5,18). Das Erfülltwerden kann zwar mit dem Getauftwerden im Heiligen Geist, was den Erlebniszeitpunkt betrifft, zusammenfallen (vgl. 2,4 mit 11,15-16), ist aber doch dem Wortgebrauch nach davon klar zu unterscheiden. Denn, wie gesagt, weist das Wort “taufen” auf ein einmaliges Ereignis hin, während sich das Erfülltwerden wiederholen kann. Und außerdem gab es das Erfülltwerden mit dem Heiligen Geist auch schon vor Pfingsten (Lk 1,15.41.67). Der Ausdruck “voll (Heiligen) Geistes” begegnet uns in den Evangelien nur in bezug auf Jesus (Lk 4,1) und im übrigen Neuen Testament nur in der Apostelgeschichte (6,3.5; 7,55; 11,24). Im Unterschied zum Verb (erfüllt werden) betont es wohl zusätzlich noch das Dauerhafte des Zustandes.
Zu c): Bei den Abschnitten 8,12-17 und 19,1-7 ist ein Erkennen des Übergangscharakters dieser Geschehnisse wichtig. In 8,12-17 wird Samaria zum ersten Mal mit dem Evangelium erreicht (Apg 1,8). Die bekannte Gegnernerschaft zwischen Juden und Samaritern (Joh 4,9) machte es notwendig, daß die Samariter gleich zu Beginn von Gott eindrücklich der Gesamtgemeinde eingegliedert würden, damit nicht etwa eine samaritanische “Sonderkirche” entstünde. Die Tatsache, daß die Samariter den Heiligen Geist erst empfangen konnten, nachdem die Apostel Petrus und Johannes von Jerusalem (!, nicht vom Garizim, vgl. Joh 4,20-22) gekommen waren, diente wohl als “Erziehungsmaßnahme” Gottes der Einheit der Gesamtgemeinde. Ferner ist in diesem Zusammenhang bedenkenswert, daß es immer wieder Petrus war, den Gott sozusagen die jeweils nächste Tür zur Ausbreitung des Evangeliums aufstoßen ließ: zu Pfingsten in Jerusalem, dann in Samarien im Gefolge des Philippus, dann in Cäsarea im Hause des Heiden Kornelius (Apg 1,8; 2,14; 8,14ff; 10,1ff).
In Apg 19,1-7 handelt es sich nun ebenfalls um einen Übergang: Die etwa 12 Männer waren zwar Jünger, sie waren gläubig, aber sie kannten nur die Taufe des Johannes und noch nicht die Taufe “auf den Namen des Herrn Jesus”. Ebenso wußten sie auch noch nichts von dem Kommen des Heiligen Geistes. Sie befanden sich, was ihre heilsgeschichtliche “Stufe” anbetrifft, bildlich anhand des Matthäusevangeliums ausgedrückt, irgendwo zwischen dem Auftreten des Täufers in Mt 3 und der Auferstehung und dem Taufbefehl Jesu in Mt 28. Paulus nahm sie sozusagen bei der Hand und brachte sie auf den aktuellen Stand, sie nahmen seine Verkündigung im Glauben an, ließen sich taufen und empfingen den Heiligen Geist. Wegen der einmaligen heilsgeschichtlichen Übergangssituation sowohl dieser etwa 12 Männer als auch der Samariter von Apg 8 darf man diesen Abschnitt nicht als biblischen Beleg dafür nehmen, daß es heute echte Christen geben könnte, die den Heiligen Geist noch nicht empfangen hätten.